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Sichere Freiheit

Eine Installation für München mit der EGO Group: Martin Schmidt- Schweda, Matthias Loewy, Michael Erhard.

1.2.2003 - 23.3.2003

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Polizeiketten in der Galerie, Sprechchöre, die durch Bewegungsmelder ausgelöst werden - der laden wird zum Kessel. Virtuelle Rundgänge durch die Innenstadt simulieren vergleichbare klaustrophobische Situationen: http://www.ego-group.de. Ausgehend von den Ereignissen während der NATO- Sicherheitskonferenz im Februar 2002 setzt sich die interaktive Arbeit "Sichere Freiheit" von Martin Schmidt- Schweda, Michael Erhard und Matthias Loewy (Mitglieder der EGO- Group, München) mit den Veränderungen des öffentlichen Raumes in Zeiten immer massiveren Polizeieinsatzes und vermehrter Demonstrationsverbote auseinander.

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Vernissage: 31.1.2003, 20 Uhr Webcams, Bewegungsmelder, Demosound- Kessel im Netz und in der Galerie nach dem Motto "macht den Kessel auf- wir wollen zum Schlußverkauf"

Sa. 15. 02. 03, 20 Uhr Themenabend Demonstration auf der Straße: eine Einführung von Martin Schmidt-Schweda; danach präsentieren "Mitte-Bank-leer-Film"(Berlin) Videos zum Thema"democratic performance".

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jetzredi, der jour fixe am monatsersten

1.2.2003, 20 Uhr, jetztredi:-Podiumsdiskussion Rechtsstaat, Demonstrationsrecht und öffentlicher Raum unter dem Motto "verhaftet weil bewaffnet mit einer langen spitzen Karotte": mit special guest Reinhard Vetter (bayerischer Landesbeauftragter für Datenschutz), sowie Angelika Lex (Rechtsanwältin), Gisela Seidler (Rechtsanwältin, Sprecherin der online- demo gegen Lufthansa) und Claus Schreer. Danach Präsentation des Videos "DISOBBEDIENTI" von Oliver Ressler (Wien) & Dario Azzellini (Berlin).
Vertreter des Kreisverwaltunsgreferats und der Polizei werden an der Diskussion leider nicht teilnehmen. Wir bedauern zutiefst die nach Drucklegung der Einladungskarte zurückgezogene Zusage von KVR Direktor Dr. Blume Beyerle und die Absage von Polizeipräsident Dr. Koller.

1.3.2003, 20 Uhr, jetztredi: Grauzone. gueststars Florian Topernpong (Regensburg) und ein Jurist diskutieren das Projekt KLAUTKUNST und seine ungeahnten Folgen. "Kunst der schlechten Gesellschaft", Sprayer im Gespräch.Videos: "Pour rire" (Thierry Boutonier, Lyon); "Illegal" (Markus Freidl, Nürnberg) und v.a.m.

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Sichere Freiheit

Eine Installation für München mit der EGO Group: Martin Schmidt- Schweda, Matthias Loewy, Michael Erhard.

1.2.2003 - 28.3.2003

Ausgangspunkt: Demonstrationen im Februar 2002. Anfang Februar 2002 wurde anläßlich der jedes Jahr in München stattfindenden NATO-Sicherheitskonferenz (die frühere "Wehrkundetagung") von der Stadt München ein dreitägiges Demonstrationsverbot über die Stadt verhängt. Als Begründung diente die Angst vor Ausschreitungen von geschätzten 2500 bis 3000 "gewaltbereiten Autonomen", die zu Gegenveranstaltungen erwartet wurden. Da das Demonstrationsverbot erst am Mittwoch den 30.01.2002, also zwei Tage vor Beginn der ersten Demo am Freitag erlassen wurde, konnten die Demonstrations-organisatorInnen das Verbot nicht mehr gerichtlich anfechten. Die bayerischen Instanzen lehnten den Einspruch gegen das Verbot beide ab, und für einen Eilantrag vor dem Bundesverfassungs-gericht fehlte die Zeit. Trotz des Verbots kam es am Freitag den 1.02. und Samstag den 2.2.2002 zu mehreren Kundgebungen und Demonstrationen - ohne die befürchteten Ausschreitungen. Schlagstockeinsätze, Kesselbildung und willkürliche Festnahmen von ca. 900 Personen waren die Reaktion der Münchner Polizei. So wurden teilweise Jugendliche verhaftet, die mit ihren Eltern in der Fußgängerzone zum Einkaufen waren, und nach "Demonstrant" aussahen (SZ 5.3.02). In der Ausstellung werden die Ereignisse dieses Demowochenendes behandelt.

Rauminstallation
In die Fenster des ladens werden überlebensgroße Bilder von Polizeieinsatzkräften geklebt, die einen Kessel von außen darstellen. Die Außenwände der Galerie werden somit zur Außenansicht eines Polizeikessels.
Im Inneren des ladens ist die Polizeikette von vorne zu sehen. Wer die Galerie betritt, begibt sich in den Kessel. Die Besucher/Innen sind eingekesselt, gehen nicht an einem Kessel vorbei, sondern sind "mitten drin statt nur dabei". Sie erleben direkt das Klaustrophobische und Bedrohliche einer solchen Situation.
Das Kernstück der Ausstellung ist der interaktive Teil: Der "eingekesselte" Raum wird von ca. 20 Bewegungsmeldern erfaßt. Diese sind an einen Computer angeschlossen, der die Anzahl der anwesenden Personen ermittelt. Je mehr Besucher/Innen sich in der Galerie aufhalten, desto mehrstimmiger ertönen aus den versteckt angebrachten Lautsprechern verschiedene Sprech-chöre, z.B. "Wir sind friedlich, was seid Ihr?", "Bullen macht den Kessel auf, wir woll'n zum Schlußverkauf" oder "Wir sind das Volk". Wenn eine Person im Raum ist, ertönt eine Stimme, bei zwei Personen zwei Stimmen usw., bis hin zu einem vielstimmigen, lauten Chor. Der Computer kann natürlich nicht erkennen wen er registriert, so daß, wie bei der Demonstration selbst, jeder zur Demonstration gehören kann, ob er will oder nicht. So zu sagen "mit gefangen, mit gehangen".

Website
Gleichzeitig wird es eine Internetseite geben, die durch die Anzahl der Zugriffe ebenfalls die Chöre anschwellen läßt. Neben verschiedenen Informationen, Bildern und Links kann man in der Münchner Innenstadt spazieren gehen. Es besteht aber die Gefahr, in einen Kessel hinein zu geraten, wenn man z.B. ein Geschäft im Tal verläßt. Die Seite ist so programmiert, daß das Verlassen der Seite tatsächlich nicht mehr möglich ist und der Browser neu gestartet werden muß, wenn man in den Kessel geraten ist.

EGO-Group
Die EGO-Group ist von Ute Marxreiter und Martin Schmidt-Schweda gegründet worden. Sie ist ein loser Zusammenhang von Künstler/Innen, der sich aus dem Umfeld der Wohnzimmergalerie heraus entwickelt hat und in wechselnden personellen Konstellationen Projekte und Ausstellungen initiiert. EGO ist die Abkürzung für "Erfolg Gegen Oekonomie". An diesem Projekt arbeiten Michael Erhard, Matthias Loewy und Martin Schmidt-Schweda mit.

Jetztredi- Podiumsdiskussion "Rechtsstaat, Demonstrationsrecht, virtueller und realer öffentlicher Raum, Datenschutz", am Samstag 1.2.2003, 20 Uhr oder "vorläufig festgenommen, weil bewaffnet mit einer langen spitzen Karotte":

mit special guest Reinhard Vetter (bayerischer Landesbeauftragter für Datenschutz), der über "Demonstrationsrecht und Datenschutz" sprechen wird- bekanntlich wird bei allen Demos gefilmt, und trotz der rechtlich bestehenden Verpflichtung, diese Bänder umgehend zu löschen geschieht die meist nicht, mit erheblichen Folgen für die Betroffenen; sowie Angelika Lex (Rechtsanwältin), die einige während der Chaostage willkürlich verhafteten Personen verteidigt hat, darunter auch Leute die im Vorfeld einer anderen Demo "vorläufig festgenommen" wurden, weil sie "bewaffnet mit einer langen spitzen Karotte" waren- so das Polizeiprotokoll;
Gisela Seidler (Rechtsanwältin, Sprecherin der online- demo gegen Lufthansa), die einige Betroffenen des Münchner Kessels von 1992 verteidigt hat- sie spricht sowohl über ihre Erfahrungen vor bayerischen Gerichten wie auch über die Möglichkeiten der Nutzung des virtuellen Raums für neue Formen des Protests gegen international arbeitende Firmen wie zum Beispiel Lufthansa; und Claus Schreer, der über seine Erfahrungen bei der Organisation udn Anmeldung von Demonstrationen berichten wird.

Danach Präsentation des Videos "DISOBBEDIENTI" von Oliver Ressler (Wien) & Dario Azzellini (Berlin).

Vertreter des Kreisverwaltunsgreferats und der Polizei werden an der Diskussion leider nicht teilnehmen. Wir bedauern zutiefst die nach Drucklegung der Einladungskarte zurückgezogene Zusage von KVR Direktor Dr. Blume Beyerle und die Absage von Polizeipräsident Dr. Koller.

DISOBBEDIENTI
Ein Video von Oliver Ressler, in Kooperation mit Dario Azzellini, Video, 54 Min., 2002.

Das Video "Disobbedienti" thematisiert die Entstehungsgeschichte, die politischen Grundlagen und die Aktionsformen der Bewegung der Disobbedienti (die Ungehorsamen) anhand von Gesprächen mit sieben Beteiligten.
Die Disobbedienti gingen während der Demonstrationen gegen den G8-Gipfel im Juli 2001 in Genua aus den Tute Bianche hervor. "Tute Bianche" war die Bezeichnung für jene weiß gekleideten AktivistInnen aus Italien, die ihre durch Schaumstoff, Reifen, Helme, Gasmasken und selbst gemachte Schilde geschützten Körper bei direkten Aktionen und Demonstrationen als Waffe des zivilen Ungehorsams einsetzten. 1994 traten die Tute Bianche erstmals in Italien in einem gesellschaftlichen Umfeld in Erscheinung, in dem der in den 70er Jahren in der Produktion und in Arbeitskämpfen eine zentrale Rolle spielende "Massenarbeiter" schrittweise durch prekäre postfordistische Beschäftigungsformen abgelöst worden war. Die Tute Bianche beteiligten sich an Protesten gegen prekarisierte Arbeitsbedingungen und am Kampf der MigrantInnen für Bewegungsfreiheit, indem sie mit der speziell entwickelten Aktionsform der Demontage die Schließung von Abschiebelagern erzwangen. Die Tute Bianche waren Teil der Demonstrationen gegen die WTO in Seattle 1999 und den IWF in Prag 2000, entsandten Delegationen in den Lakandonischen Regenwald in Chiapas und begleiteten die zapatistischen Comandantes 3000 Kilometer weit nach Mexiko-Stadt.
Beim G8-Gipfel in Genua beschlossen die Tute Bianche, die identitätsstiftenden und namensgebenden weißen Overalls abzulegen, um in der Multitude der 300.000 DemoteilnehmerInnen aufzugehen. Der Übergang von den Tute Bianche zu den Disobbedienti, den Ungehorsamen, ist auch eine Entwicklung vom "zivilen Ungehorsam" zum "sozialen Ungehorsam".
Durch das repressive Vorgehen und die Massaker der Polizeikräfte in Genua wurde die Praxis des sozialen Ungehorsams von der Straße in die verschiedensten gesellschaftlichen Bereiche hineingetragen. Der Disobbedienti-Sprecher Luca Casarini beschreibt daher im Video die Tute Bianche als subjektive Erfahrung und kleine Armee, die Disobbedienti hingegen als Multitude und Bewegung.
Die Disobbedienti setzen die Politikform der Tute Bianche fort und versuchen, eine gerechtere Legalität von unten zu schaffen. Es werden weiterhin spektakuläre Aktionen gegen Abschiebelager durchgeführt, wie die im Video gezeigte Demontage des Abschiebelagers in der Via Mattei in Bologna am 25. Januar 2002. Dazu kommen Versuche, den "sozialen Ungehorsam" als kollektive Praxis unterschiedlicher Gruppen weiterzuentwickeln, Waren- und Kommunikationsflüsse zu blockieren, Streiks einzelner Gruppen zu generalisieren, Generalstreiks zu planen und durchzuführen.
Die Gespräche mit den Disobbedienti wurden im Juli 2002 in Bologna und Genua auf Italienisch geführt. Das Video "Disobbedienti" gibt es mit deutscher und englischer Untertitelung.

Konzept, Interviewvorbereitung, Schnitt, Realisation: Oliver Ressler; Interviews, konzeptionelle Mitarbeit, Übersetzung: Dario Azzellini; Kamera: Claudio Ruggieri; Ton: Rainer Antesberger; GesprächspartnerInnen: Luca Casarini, Ulia Conti, Gianmarco de Pieri, Enrico Ludovici, Federico Martelloni, Francesco Raparelli, Francesca Ruocco